Super-Abi trotz Bau-ChaosDüsseldorf. 58 Abiturienten des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums wurden die Zeugnisse überreicht. 17 von ihnen haben eine Eins vor dem Komma der Gesamtnote stehen, obwohl die Lernbedingungen an der Schule katastrophal sind. Von Julia Hagenacker
West Sie sind gut, außergewöhnlich gut sogar. 58 Abiturienten des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums wurden gestern während einer Feierstunde im Stadttheater die Abschlusszeugnisse überreicht. Die Besonderheit: 17 von ihnen haben eine Eins vor dem Komma der Gesamtnote stehen. Und das, obwohl sie in der Schule in Ratingen West unter, sagen wir mal, „erschwerten Bedingungen“ fürs Leben gelernt haben.
Hendrik Wendland zum Beispiel dürfte eine der besten Abiturprüfungen in ganz Nordrhein-Westfalen abgelegt haben. Schnitt: 1,0, glatt, und das, obwohl ihm Baustellenlärm und das viel diskutierte „Oktaeder des Grauens“ fast einen Strich durch die Tiptop-Klausur-Rechnung gemacht hätten. Statt wie üblich mit einer „Eins plus“ wurden die Matheaufgaben des 19-Jährigen im diesjährigen Zentralabitur mit einer „Zwei plus“ bewertet. Deshalb hat er noch einmal nachgeschrieben, in der vergangenen Woche, in einem sanierungsbedürftigen Klassenraum, in dem sich die Fenster nicht schließen lassen. Eine Plastikfolie hält dort seit geraumer Zeit zwar notdürftig Regen und Wind, nicht aber den herüberschwappenden Krach von Betonmischern und Schweißgeräten ab.
Auf dem benachbarten Grundstück der Astrid-Lindgren-Grundschule wird nämlich gebaut. 6,5 Millionen Euro hat die Stadt in die Errichtung eines für den offenen Ganztag geeigneten Gebäudes samt Außenanlage und Einrichtung investiert.
Die Räume und die Fassade des Bonhoeffer-Gymnasiums sollen ebenfalls renoviert werden, für insgesamt 500 000 Euro, allerdings erst im Sommer 2009, so sieht es der Finanzplan vor (wir berichteten). Dabei ist ein großer Teil der Schuleinrichtung seit Jahren so marode, dass die Nutzung für Schüler und Lehrer zum täglichen Sicherheitsrisiko wird: gesplitterte Türen, morsche, mit Klebeband fixierte Fenster, die sich entweder nicht öffnen oder nicht schließen lassen, defekte Jalousien, blinde Scheiben. Vor kurzem fiel außerhalb der Unterrichtszeit ein kompletter Fensterrahmen heraus. Glücklicherweise wurde niemand verletzt.
Kira Müchler (19) hat sich nach neun Jahren am Bonhoeffer-Gymnasium an den heruntergekommenen Zustand ihrer Schule gewöhnt. „Mit der Zeit weiß man, bei welchen Fenstern man aufpassen muss, wenn man sie auf Kipp stellt“, sagt sie. „Im Sommer, wenn die Sonne auf die Front mit den kaputten Jalousien schien, haben wir manchmal schon ganz schön geschwitzt.“ Wirklich gut lernen lasse es sich unter solchen Bedingungen nicht. „Das ist nicht in Ordnung“, meint die 19-Jährige. „Ich könnte mir vorstellen, dass es Eltern gibt, die sich bei der Wahl der weiterführenden Schule nicht nur von Lehrinhalten, sondern auch vom Erscheinungsbild leiten lassen.“
Ein klasse Abi (Note 1,1) hat Kira Müchler trotz allem geschafft. Ein Jahr lang will sie nun als Au-Pair in Paris arbeiten, dann Französisch und Geschichte auf Lehramt studieren. Berufswunsch: Gymnasiallehrerin.
RP 20.06.2008