Streit um neue Flüchtlingsklasse in West

Am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Ratingen West gibt es bereits eine Seiteneinsteigerklasse mit 26 Schülern. FOTO: achim blazyRatingen. Der Leiter des Bonhoeffer-Gymnasiums betont: Eine zweite Gruppe mit Seiteneinsteigern ist kurzfristig kaum machbar. Von Norbert Kleeberg

Die einzeilige Bitte kam Anfang Februar wohl aus heiterem Himmel, auf jeden Fall per E-Mail, formuliert von Kreisschulrätin Susanne Cortinovis-Piel. Adressat: Uwe Florin, Leiter des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums in Ratingen West. Man möge doch eine zweite Seiteneinsteigerklasse an der Schule einrichten, so der verbindlich klingende Wunsch.

Florin antwortete prompt und verwies auf bereits 26 beschulte Kinder seit November 2015, auf begrenzte räumliche Kapazitäten und die Zuständigkeit der Bezirksregierung Düsseldorf. Wenige Tage später kam die zweite E-Mail. Vorschlag: Man könne zwecks Einrichtung dieser Gruppe im Schichtbetrieb unterrichten lassen. Das brachte Florin vollends in Rage: In einer E-Mail an die Fraktionen und Mitglieder des Schulausschusses machte er seinem Ärger Luft.

Wörtlich schreibt er: „Die Art und Weise, wie zynisch hier von offizieller Seite im Kontext dieses hochprekären Themas ,Unterrichtsversorgung von Flüchtlingskindern‘ kommuniziert wird, offenbart pädagogische Verantwortungslosigkeit und unterrichtsorganisatorische Ignoranz (zumindest in Bezug auf die Schulform Gymnasium).“ Auf RP-Nachfrage betont Florin, dass es sich hier um eine „Ohrfeige für alle Schulleiter“ handele, die kurzfristig und ohne Vorgespräch aufgefordert werden, eine neue Seiteneinsteigerklasse einzurichten.

Florin unterstreicht: „Das geht ja nicht von jetzt auf gleich, wir brauchen weitere, speziell für diese Aufgabe ausgebildete Fachkräfte. Und das dauert seine Zeit.“ Neben der intensiven Betreuung der Seiteneinsteiger muss sich der Schulleiter um viele andere Dinge kümmern – auch um die nahe Zukunft: Fürs Schuljahr 2016/2017 liegen aktuell 75 Anmeldungen vor, dies würde für drei fünfte Klassen reichen.

Doch zurück zur Aktualität: Am kommenden Mittwoch wird sich der Schulausschuss ab 16 Uhr in der Cafeteria des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums mit neuen Seiteneinsteigerklassen beschäftigen. Florin will auf dieser Sitzung einige Fragen stellen, unter anderem diese Punkte herausgreifen: Wer trifft de facto die Entscheidung zur Zuweisung von Flüchtlingskindern auf die weiterführenden Schulen der Stadt Ratingen? Inwieweit ist das Schulverwaltungsamt überhaupt beteiligt?

Florin regt an, dass das Kreisschulamt über seine Direktorin Jeanette Völker aufgefordert wird, „seine subtilen Vorstellungen von schulischem ,Schichtbetrieb‘ vor ausgesuchten Gremienvertretern und Leitungsmitgliedern der weiterführenden Schulen Ratingens zu erläutern“.

Rückendeckung bekommt der Leiter des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums von der SPD-Fraktion, die von der Verwaltung einen Sachstandsbericht fordert. Christian Wiglow und Joachim Galinke, die beiden Fraktionsspitzen, stellen fest: „Aus Sicht der SPD-Fraktion ist die Einschätzung des Schulleiters voll umfänglich zutreffend.“

Die Fraktion will wissen, wie hoch die Zahl der zu erwartenden Schüler ohne Deutschkenntnisse ist und wie diese Jugendliche auf die Schulen verteilt werden sollen. Es gibt also jede Menge Klärungsbedarf.RP 23.02.2016

Westhäkchen proben den Aufstand

Ratingen. Mit „Programm X“ wollen die Westhäkchen, die Kabarettgruppe des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums, an den großen Erfolg des vergangenen Jahres anknüpfen. Ein Probenbesuch. Von Wolfgang Schneider

West Heiner van Schwaben legt den Kopf ein bisschen schief. Das tut der Erdkundelehrer immer, wenn er nachdenkt, wie er leichte Kritik in Worte fassen soll: „Du musst die Stimmung der Nummer noch mehr zum Ausdruck bringen, Du musst die Nummer leben“, sagt er in den Raum, wirft noch einmal einen intensiven Blick in den Text und gibt das Handzeichen zum Wiederholen. Und dann geht die Nummer von vorne los.

„Ja, so ist es besser“, lobt van Schwamen noch während die Szene läuft. Als Regisseur der Westhäkchen, der Kabarettgruppe des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums (DBG) in West, lässt er den Schülern großen Spielraum, aber manchmal muss er eben doch eingreifen. Und die Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren wissen genau: Der Mann weiß, wovon er spricht.

Schließlich betreut er die Gruppe seit weit über 20 Jahren. Entspannter ist er dabei dennoch nicht geworden – erst recht nicht, wenn es so kurz vor der Premiere ist wie jetzt. Nur noch wenige Tage, und dann stehen die Westhäkchen mit ihrem neuen Programm auf der Bühne des Freizeithauses. „Bis dahin ist noch viel zu tun“, weiß der Chef aus Erfahrung. „Es ist schwer, Termine zu finden, an denen wirklich alle können, denn die Schüler sind heutzutage zeitlich sehr beansprucht.“ An diesem Vormittag, an sich ist schulfrei, sind aber alle da und proben fleißig im Pädagogischen Zentrum des DBG. Bewegung ist jetzt angesagt, die Gruppe läuft über die Bühne. Das gehört zwar bisweilen auch schon einmal zu van Schwamens Entspannungsübungen, diesmal ist es jedoch Teil des Programms. Das trägt in diesem Jahr den Titel „Programm X“.

Viel verraten wird über die Nummern des wie üblich mehr als zweistündigen Programms vorab natürlich nicht, aber es soll, so viel ist schon mal klar, ähnlich anspruchsvoll werden wie im vergangenen Jahr, als die Westhäkchen wohl das beste Programm ihrer Geschichte auf die Bühne brachten. Ob sie das Niveau halten können?

Der Regisseur ist optimistisch: „Es ist nicht so einfach diesmal, denn wir werden ständig von den aktuellen Entwicklungen überholt. Aber ich denke, dass wir auch diesmal wieder auf einem guten Weg sind.“ Dabei wird der Zuschauer auf den einen oder anderen bekannten Charakter treffen, aber auch Neues kennenlernen. Nicht nur das gesprochene Wort wird traditionell von Bedeutung sein bei den Häkchen. Mit solch talentierten Musikern wie Svenja Kupschus, Alexander Seidl oder Anton Lenger in der Gruppe ist es wohl selbstverständlich, dass es einiges zu hören geben dürfte. Damit alles sitzt, wird bis zur Premiere noch fleißig weiter geprobt.

Stellt sich nur die Frage, wo läuft der Mensch eigentlich hin? Vor sich selbst weg oder doch zu seinem Glück? Und wie ist das eigentlich in diesen unruhigen Zeiten? Sind wir nicht vielleicht alle ein bisschen überfordert mit den vielen Freiheiten, die in der Aufklärung ersonnen und in den Revolutionen erkämpft wurden? Vielleicht gibt es ja in der kommenden Woche Antworten.RP 19.02.2016

Mit Labortestat durchs Gymnasium

Ratingen · An den Methodentagen lernen Gymnasiasten Außerschulisches für die Schule.

RP 04.11.2015, 00:00 Uhr2 Minuten Lesezeit

Valeska von Dolega

Ob Sonntag- oder Mittwochmorgen, Irenes (12) Wecker klingelt immer zur gleichen Zeit. „Denn wenn ich lernen muss, mache ich das am besten morgens.“ Damit ihre innere Uhr nicht durcheinander kommt, behält sie diesen Rhythmus am Wochenende bei. Methoden, das erforderte Pensum zu verinnerlichen, gibt es viele. „Da muss jeder seinen eigenen Weg finden“, kennt Marius (15) keine Faustregel. Sein Tipp ist, beim Lernen „mit System“ vorzugehen. Und wie das ausschauen kann, hat er sich ursprünglich beim Methodentag abgeguckt.

Den veranstaltet das Organisationsteam um Lehrerin Nelie Pannen am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium jetzt zum zehnten Mal. Drei Tage erlernen alle Kinder von Klasse 5 bis zur Q2, und das sind derzeit 647 Schüler, wie sich mit kleinen Tricks die großen Dinge im Schulalltag noch besser bewerkstelligen lassen.

„Die einzelnen Module bauen aufeinander auf“, erklärt Uwe Florin, der seit 15 Jahren das Gymnasium in West leitet. Dem Alter entsprechend sind die einzelnen Bausteine konzipiert, so setzen sich die Fünftklässler zum Beispiel mit „Lesemethoden“ auseinander. „Dabei lernen sie nicht bloß, verständlich vorzutragen“, sagt der Rektor. „Sie lernen beim Lesen, Wichtiges von Irrelevantem zu unterscheiden und Inhalte korrekt wiederzugeben.“ In Klasse 6 wird das Grundprinzip dann als „Leseführerschein“ ausgebaut und findet in Klasse 8 beim Thema „Referate“ seine Fortsetzung und Ausführung.

Neben Trainings zu kognitiven Fähigkeiten und berufsorientierten Vorbereitungen, die unter anderem von Kooperationspartnern verschiedener Universitäten und Fachhochschulen referiert werden, gibt es auch spezielle Einheiten, die überhaupt den regulären Unterricht vorbereiten. Der Laborführerschein ist dafür ein Beispiel. Dafür sitzen die Siebtklässler bei Meike Drews und lernen an verschiedenen Stationen „grundlegende Techniken“, wie die Chemielehrerin sagt. Damit die Lehrerin nämlich später Experimente durchführen lassen kann, „ohne dass der Raum abgefackelt wird“, müssen die Kinder den fehlerfreien Umgang mit Bunsenbrenner, Pipette und Co. „zuverlässig lernen“. Weil dafür im Unterricht nicht ausreichend Muße ist, kommen die Methodentage gerade recht. „Hier haben wir auch Zeit, das Erlernte abzufragen und im Bedarfsfall direkt nachzuhaken“, verweist sie auf die Zusammenarbeit mit den Kollegen. Grundsätzlich gestaltet Meike Drews ihren Unterricht „so praxisnah wie möglich“. Um Schüler aktiv einzubinden, ist der Laborführerschein vom Methodentag ein wichtiges Hilfsmittel.

Ratinger Superstar mit ganz viel Herz

Ratingen · Svenja Kupschus (16) textet, singt, spielt Klavier, Saxophon und Gitarre – demnächst auch auf der „Zelt Zeit“-Bühne.

RP 02.05.2015, 00:00 Uhr 3 Minuten Lesezeit

Von Gabriele Hannen

Damals, als offenes Licht Bühnenkünstler illuminierte, hieß das schon „Rampenlicht“. Wer sich dem aussetzte, musste oft eine ungeschickte Beleuchtung in Kauf nehmen, weil sie eben vom Boden her kam. Heute steht manch einer im Rampenlicht – besser beleuchtet, meist gern, oft leidenschaftlich, gelegentlich angelernt. Bei der „Zelt Zeit“ zum Beispiel, wenn die Ratinger Superstars auf die Bühne kommen (Donnerstag, 21. Mai, ab 19.30 Uhr) gibt es dort eine 16-Jährige, die ohne Probleme im Rampenlicht steht: Svenja Kupschus.

Tragödchen-Chef Bernhard Schultz zum Beispiel ist verblüfft und begeistert, wie sie – die sich ansonsten eher zurückhaltend durch die Gegenwart bewegt – das Mikro nimmt und loslegt. „Das sieht man nur selten“ staunt er. Deshalb segeln die junge Ratingerin, ihr 19 Jahre alter Bruder Jonas (Bass), Jonathan Dangelmeyer (Gitarre, Geige) und Felix Große (Drums) als „Friday And The Fool“ unter dem großen Anspruch, dass Ratingen keinesfalls die Superstars suchen muss, sondern sie bereits hat und deshalb am Grünen See präsentieren kann.

Info termin

Am 13. Mai ab 19 Uhr im Stadttheater

Svenja Kupschus und „Friday And The Fool“ unterstützen am Mittwoch, 13. Mai, die „Westhäkchen“. Die treten nämlich ab 19 Uhr im Stadttheater mit ihrem aktuellen Programm auf. Die Band spielt schon vorher im Foyer und bietet dort auch in der Pause eine musikalische Unterstützung. Karten gibt es im Vorverkauf im Reisebüro Tonnaer und im Sekretariat des Bonhoeffer-Gymnasiums.

Sie textet, singt und spielt Klavier, sie beherrscht Saxophon und Gitarre. Und sie hat auch ein Jahrzehnt lang – also mehr als die Hälfte ihres Lebens – Geigenunterricht genommen. Bis auf eine ganz kurze Zeit lebt Svenja Kupschus mit ihrer Familie in Homberg, perfekt unterstützt bei all ihren Aktivitäten, die immer wieder mütterliche oder väterliche Shuttle-Einsätze erfordern. Die Grundschule absolvierte sie in Homberg, dann ging es zum Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium, wo sie aktuell die elfte Klasse besucht. Ja, sie sei eine gute Schülerin – was sie bescheiden und leise sagt – nun ja, oft habe sie nachmittags Unterricht, nein, ein Auslandsjahr sei erst mal nicht geplant. Aber vielleicht nach dem Abi. Und eher drei Monate sehr weit weg als in der internationalen Nachbarschaft. Immerhin hat sie in ihrem Alter und im Vergleich zu manch anderer Frau schon eine Menge geschafft: Schule, die Beherrschung einer Vielfalt von Instrumenten, Mittäterschaft bei den Westhäkchen. Sie hat, zumindest von außen betrachtet, keinerlei Probleme, sich vor Publikum zu präsentieren. Und sie ist eine herzliche junge Person. Für die erste CD ihrer Band hat sie das Cover entworfen und gezeichnet. Es zeigt einen Wal mit einer ganzen Landschaft, die auf seinem Rücken wächst. Er steckt eigentlich in einer Tabatière, einem Behältnis, dessen Namen wahrscheinlich viele Altersgenossen nicht einmal kennen. So jedenfalls heißt der fünfte Titel.

Seit Ende 2013 gibt es die Band „Friday And The Fool“ in ihrer vierköpfigen Konstellation. Die besonderen Stärken der Band liegen in ihrer musikalischen Bandbreite und dem unverkrampften Umgang mit der Musik. Die Geschwister Kupschus schreiben die Texte, die Musik erarbeitet die gesamte Band, geprobt wird zweimal in der Woche.

Wenn Svenja mal losträumen darf, fällt ihr nichts für das stille Glück im Winkel ein, sondern eher Schauspiel, Regie, „Darstellen oder irgendwie sowas“. Und dennoch: Sie tingelt nicht unablässig quirlig durchs Ratinger Showgeschäft, sondern hat auch eine ganz liebevoll-beschauliche Seite. Oder wie sollte man es nennen, wenn man eine Maus, von der Katze halb tot gespielt, mit Geduld aufpäppelt und am Leben erhält? Wenn es dann auch ein Leben im Käfig wird.

Foto: Die Grundschule absolvierte Svenja Kupschus in Homberg, dann ging es zum Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium, wo sie aktuell die elfte Klasse besucht. Foto: achim blazy

Unsere Leser machen Aram glücklich

Ratingen · Eine Welle der Hilfsbereitschaft: Der Zwölfjährige aus Syrien hatte sich nichts sehnlicher gewünscht als ein Fahrrad.

RP 08.04.2015, 00:00 Uhr 4 Minuten Lesezeit

West/ Wer genau hinsah, konnte ein leichtes Glitzern in Arams dunklen Augen sehen. „Das ist toll“, staunte der Zwölfjährige beim Anblick des BMX-Rades, das dem Jungen, der mit seiner Familie unter dramatischen Umständen aus Syrien geflüchtet war, mit Hilfe unserer Leser als verspätetes Geburtstagsgeschenk überreicht wurde. Und noch bevor er die erste Runde drehte, bedankte er sich erst einmal sichtlich gerührt: „Ich freue mich sehr. Vielen Dank an alle, die das möglich gemacht haben.“

Der Bericht über Aram und seine Familie in unserer Zeitung vor einigen Wochen hatte dafür gesorgt, dass in der Redaktion die Telefonleitungen nicht mehr stillstanden. Viele Leser wollten helfen, boten Kinderfahrräder an oder wollten mit der Familie zur Radstation am Ostbahnhof fahren. Heiner van Schwamen, Lehrer am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium (DBG) , an dem Aram die Klasse für Flüchtlingskinder besucht, hatte die Koordination übernommen. Er war begeistert von der Welle der Hilfsbereitschaft: „Es waren so viele Angebote, dass wir letztlich die ganze Familie mit Fahrrädern versorgen konnten“, freute er sich. Nur Aram musste etwas warten, denn sein Geschenk wurde extra geliefert und musste noch zusammen gebaut werden. Eine Aufgabe, die Peter Emonds, Nachbar von Lehrer van Schwamen, übernommen hatte: „Als Heiner van Schwamen mich gefragt habe, habe ich keinen Moment gezögert und gesagt, ich helfe“, so Emonds, der bei der Geschenkübergabe noch eine Überraschung dabei hatte: ein Dreirad für das Nesthäkchen der Familie, die kleine Lorena.

Info hintergrund

Dramatische Flucht aus der Heimatstadt Aleppo

Die Flucht der Mustafas war dramatisch. Als es in Aleppo im schlimmer wurde, mussten sie an einem frühen Morgen innerhalb einer Stunde einige Habseligkeiten zusammenpacken. Es folgte eine Fahrt in ein Dorf in der Nähe der türkischen Grenze, dann weiter nach Norden. Die bulgarisch-türkische Grenze überquerte die Familie in einem siebenstündigen nächtlichen Marsch. Anschließend ging es im Unterboden eines Autos versteckt nahezu bewegungsunfähig und mit kaum Luft zum Atmen mit dem Wagen weiter. 23 Stunden dauert die Fahrt bis nach Österreich – endlich in Freiheit.

Eine der Spenderinnen, die für glückliche Kinderaugen bei Aram sorgte, war Margit Mocka: „Die Geschichte des Jungen und seiner Familie hat mich sehr berührt. Es ist schön zu sehen, wie einfach man doch einem Kind eine Freude machen kann.“ Sie hatte gemeinsam mit van Schwamen und dessen Westhäkchen, der Kabarettgruppe des Bonhoeffer-Gymnasiums, das Geld für das BMX-Rad gespendet. Die jungen Künstler der Westhäkchen waren es, die in ihrem aktuellen Programm in einem bewegenden Kurzfilm das Schicksal von Aram und seiner Familie an die Öffentlichkeit gebracht hatten. „Als wir im Winter gefragt hatten, ob wir ihre Geschichte verfilmen dürfen, haben sie spontan zugesagt. Deshalb ist es für uns logisch gewesen, dass wir uns an dem neuen Rad für Aram beteiligen“, erzählte Anton Lenger von den Westhäkchen.

Kurt Dirkes und Birgit Krischer versorgten Arams Eltern mit zwei Alurädern: „Bei uns hätten sie eh nur noch herum gestanden. Und so hatten wir die Möglichkeit, etwas Gutes zu tun“, so Dirkes. Das nutzt Mutter Sherin Mustafa regelmäßig: „Ich fahre damit immer einkaufen und muss jetzt nicht mehr immer zu Fuß gehen.“ Eine weitere Leserin, die anonym bleiben möchte, spendete ein Kinderrad von der Radstation in Ost für Nihat, den achtjährigen Bruder von Aram. Der geht auf der Karl-Arnold-Schule übrigens in eine Regelklasse, hat keine Probleme, sich zu integrieren: „Ich gehe gerne zu Schule.“ Auch Aram mag das Lernen, hat aber so etwas wie ein Luxusproblem: In seiner Klasse ist er mit Abstand der Beste. Er möchte gerne so schnell wie möglich am normalen Unterricht teilnehmen. Einen ersten Schritt dazu hat er bereits getan. Er engagiert sich in der Schülervertretung des DBG. Heiner van Schwamen ist begeistert: „Dieser Junge zeigt so viel Interesse am Lernen, das finde ich unglaublich.“ Und auch wenn er jetzt schon fleißig mit dem BMX-Rad den einen oder anderen Trick übt, Schule steht für Aram ganz oben: „Es ist wichtig, einen guten Abschluss zu machen. Ich möchte einen tollen Beruf haben.“

Nach dramatischer Fluch in Sicherheit

Ratingen · Sherin Mustafa, ihr Mann und ihre Söhne kamen 2013 aus Syrien nach Deutschland – im Unterboden eines Autos.

RP 11.03.2015, 00:00 Uhr 4 Minuten Lesezeit

est Aram erzählt gerne – zum Beispiel von der Schule, in die er hier in Deutschland gehen darf, und von den Lehrern in Syrien, die streng waren und die Kinder auch geschlagen haben. Oder davon, dass er gerne Fußball spielt und später anderen Menschen helfen will. Doch wer den aufgeweckten Zwölfjährigen nach seinen Erinnerungen an den Krieg in seiner alten Heimat Syrien fragt, dem kann der junge, der ein akzentfreies Deutsch spricht, nicht antworten: „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern“, sagt er und zieht sich eines der Sofakissen über das Gesicht.

Die alte Heimat ist Aleppo, jene Stadt in Syrien, die zu Beginn des Bürgerkrieges in aller Munde war. 2011 war das. Aram und sein kleiner Bruder Nihad lebten dort mit Vater Ahmed und Mutter Sherin. „Uns ging es finanziell gut, weil mein Mann und ich jeden Tag mindestens zwölf Stunden gearbeitet haben“, erzählt Sherin Mustafa von der Zeit vor dem Krieg. Das Schulgeld für die Kinder war teuer. „Aber wir hatten Glück, eine Nachbarin, die Lehrerin ist, kümmerte sich nach der Schule um Aram und Nihad.“

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Aram hätte gerne ein Fahrrad

„Hier sind die Straßen so sauber, und es gibt extra Wege für Fahrräder“, sagt Aram, der heute Geburtstag hat, und denkt an seinen großen Wunsch: „Ich hätte so gerne ein Fahrrad.“ Und dann erscheint ein zaghaftes Lächeln auf dem Kindergesicht.

Ihr Blick geht zu Boden, der Besucher merkt ihr schnell an, dass die Gedanken auf eine tausende Kilometer entfernte Reise gehen. Ihr Eltern und ihre Schwester leben noch in Aleppo. Leben? „Arbeit gibt es dort keine mehr, auch die Schulen sind schon seit vielen Jahren geschlossen“, sagt Sherin Mustafa, die früher in einer Arztpraxis gearbeitet hat. An ein, zwei Tagen in der Woche hat sie Kontakt zur Familie, das ist alles, was an Verbindung zum alten Leben geblieben ist. Ob sie noch einmal zurück möchte?

Irgendwann, wenn Frieden ist? „Zu Besuch, aber mehr nicht. Ich möchte nicht noch einmal neu anfangen müssen.“ Als der Krieg ausbrach, wollten sie es aushalten. Doch es wurde immer schlimmer, ein normales Leben gab es nicht mehr. 2012 folgten die ersten Überlegungen, die Heimat zu verlassen. Drei Brüder von Vater Ahmed leben in Ratingen, teilweise schon weit über 20 Jahre. Doch die abenteuerliche Flucht begann erst an einem Morgen im Jahr 2013. Militärflugzeuge flogen tief über Aleppo, Soldaten marschierten durch die Straßen. Eine Stunde Zeit hatte die damals noch vierköpfige Familie mit der im dritten Monat schwangeren Mutter, um alle Habseligkeiten in einen Koffer zu packen.

Es folgte eine Fahrt in ein Dorf in der Nähe der türkischen Grenze, dann weiter nach Norden. Die bulgarisch-türkische Grenze überquerte die Familie in einem siebenstündigen nächtlichen Marsch. „Mein Mann hat immer den Koffer auf dem Rücken getragen.“ Während die Mutter erzählt, macht Aram die Augen zu. Sein kleiner Bruder Nihat spielt mit der inzwischen 14 Monate alten Loreen.

Ob die Jungs sich noch an die Flucht erinnern? „Nein“, sagt Aram, „das ist alles weg.“ Und fügt dann leise hinzu: „Ich möchte nicht darüber sprechen.“ Verständlich, denn in Bulgarien wird die Geschichte noch dramatischer. Im Unterboden eines Autos versteckt sich die Familie, nahezu bewegungsunfähig, kaum Luft zum Atmen. 23 Stunden dauert die Fahrt bis nach Österreich – endlich in Freiheit. „Zwischendurch habe ich gedacht, wir schaffen es nicht“, sagt die Mutter. Das ist bald zwei Jahre her. 24 Monate, in denen viel passiert ist, in denen die Familie letztlich über Oldenburg nach Ratingen in die Nähe der Verwandten kam. Einer von ihnen betreibt eine Pizzeria in der Innenstadt. Hier macht Sherin seit einigen Tagen ein Praktikum, denn ihr Sprachkursus beginnt erst nach den Osterferien: „Vom Zuhausesitzen lerne ich die Sprache nicht. Ich muss unter Menschen sein.“ Ihre Söhne haben das Problem nicht. Nihad besucht die zweite Klasse der Karl-Arnold-Schule, sein älterer Bruder die Flüchtlingsklasse am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium: „Am liebsten mag ich Sport. Ansonsten finde ich es da manchmal langweilig, weil die anderen noch nicht so gut Deutsch sprechen“, sagt der Zwölfjährige, der gerne Klavier spielt. Bei der städtischen Musikschule steht er auf der Warteliste. Aram geht gerne zum Unterricht: „Ich finde es nur sehr schade, dass ich noch keine deutschen Freunde habe“, sagt er.

„Ich schon“, freut sich sein achtjähriger Bruder: „Wir spielen oft Fußball.“

Foto: Mutter Sherin Mustafa lebt heute mit den Söhnen Nihad (links) und Aram sowie Töchterchen Loreen in Ratingen. Sie würde gerne wieder arbeiten. Foto: Janicki, Dietrich (jd-)

Die Westhäkchen testen Grenzen aus

Ratingen · Anfang Februar feiert das neue Programm der Kabarettisten vom Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Premiere.

RP 20.01.2015, 00:00 Uhr 3 Minuten Lesezeit

Von Karl Ritter

West Seit über 20 Jahren ist Heiner van Schwamen der Mann hinter den Westhäkchen, der Kabarettgruppe des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums (DBG). Wenn Anfang Februar das neue Programm „Unlimited – hart an der Grenze“ Premiere feiert, dann erlebt aber auch der Erdkundelehrer etwas völlig Neues: „Zum ersten Mal spielen wir zwei Jahren mit exakt derselben Besetzung. Das hatte ich noch nie“, sagt er schmunzelnd. Dass das durchweg talentierte Ensemble – eines der besten in der Westhäkchen-Historie – noch ein zweites Programm auflegt, dürfte für alle Beteiligten von Vorteil sein. Die Jugendlichen auf der Bühne kennen sich noch besser als vorher, der Zuschauer darf im Gegenzug eine gut aufeinander eingespielte Truppe erwarten.

„Wie der Name schon sagt, geht es im neuen Programm vor allem um Grenzen, die sich immer mehr verschieben“, erzählt Liia Thalberg-Zukova. Und Felix Brochhausen, der die Häkchen nach diesem Schuljahr (Abitur) verlässt, ergänzt: „Manche Grenzen gibt es gar nicht mehr – wie zum Beispiel auf der Weltkarte oder in der Sexualaufklärung.“

Info hingehen

Karten sind ab sofort im Vorverkauf zu haben

Premiere des neuen Westhäkchen-Programms ist am Mittwoch, 4. Februar. Weitere Termine: Donnerstag, 5. Februar, und Freitag, 6. Februar. Los geht es jeweils um 19.30 Uhr im Freizeithaus West am Berliner Platz. Karten (Erwachsene fünf Euro, Schüler/ Studenten drei Euro) gibt es im Kulturamt, im Reisezentrum Tonnaer oder bei Johann und Wittmer. Wer keine Tickets bekommt, kann sich das Programm am Mittwoch, 18. Februar, 19.30 Uhr in der Lintorfer Manege ansehen.

Und so widmen sich die Westhäkchen einmal mehr nicht nur dem großen Ganzen, sondern auch ihrem eigenen kleinen Kosmos.

„Natürlich wird auch das Thema Schule eine große Rolle im neuen Programm spielen. Das gehört einfach zu den Westhäkchen dazu“, erklärt Abiturientin Marlit Claussen. Insgesamt soll aber auch dieses Programm wieder mehr politisch sein, Comedy-Elemente sind seltener geworden. Dabei wird der geneigte Zuschauer auf die eine oder andere Figur treffen, die er schon kennt. Welche das sein werden, darüber herrscht allerdings Stillschweigen. Auch musikalisch haben sich die Westhäkchen ein bisschen verändert, vor allem die Klavierbegleitung einzelner Stücke auf mehrere Schultern verteilt. „Insgesamt haben wir aber weniger Musiknummern im Programm und setzen mehr auf Worte“, so Brochhausen. Was es allerdings geben wird: Ein Medley der großen Hits von Udo Jürgens.

Für Heiner van Schwamen gab es in diesem Jahr zum ersten Mal in seiner Karriere als Regisseur ein Problem, das ihn schwer beschäftigt hat in den vergangenen Tagen: „Kann ich es überhaupt verantworten, dass Schüler sich kritisch über bestimmte Dinge auf der Bühne äußern? Wer kann absehen, welche Reaktionen sie damit hervor rufen“, sagt der Pädagoge.

Ob die Westhäkchen deshalb eine Spur vorsichtiger werden, wird sich zeigen. Denn gerade das Thema Grenzen lässt da viele Spielräume – Geschlechtergrenzen verschwimmen, ebenso die Grenzen zwischen Mensch und Maschine oder Leben und Tod. Doch auch wenn das alles recht ernst klingt, das Programm soll lustig und unterhaltend werden: „Es darf gelacht werden“, blickt van Schwamen optimistisch in die Zukunft.

Es wird aber auch einen Gänsehautmoment geben. Über die Flüchtlingsklasse am DBG hat der Westhäkchen-Chef Kontakt zu einer Mutter bekommen, die vor knapp einem Jahr aus Syrien geflüchtet ist: „Sie ist bereit, uns in einem kurzen Video die Geschichte ihrer Flucht zu erzählen. Ich denke, das wird einer der nachdenklichsten Momente in der Geschichte der Westhäkchen.“

Es bleibt die spannende Frage, wie sich die jungen Kabarettisten der Verantwortung stellen, mit Tiefgang zum Nachdenken anzuregen, ohne dabei ihre eigene Welt zu vernachlässigen. Denn dann sind sie immer besonders gut gewesen: Wenn sie die erwachsenen Zuschauer in ihre ganz eigene, jugendliche Welt entführt haben.

Foto: Die Westhäkchen des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums proben mit viel Engagement – und das trotz Abi- und Schulstress. Foto: Achim Blazy

Neue Schulklasse für Flüchtlingskinder

Von Karl Ritter

west Es hatte unzählige Verschiebungen und Querelen gegeben, doch dann ging alles letztlich ziemlich schnell: Seit dem 17. November werden am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium (DBG) in West 18 Kinder und Jugendliche ab der 5. Klasse unterrichtet, die keinerlei Deutschkenntnisse haben. „Diese Kinder werden als Seiteneinsteiger bezeichnet. Nach Definition des Schulministeriums handelt es sich dabei um Schüler, die innerhalb der letzten zwei Jahre aus dem Ausland zugezogen sind und nur über sehr geringe oder gar keine Deutschkenntnisse“, sagt Schuldezernent Rolf Steuwe: „Es gibt dabei keinen Unterschied zwischen beruflich zugezogenen EU-Bürgern und Flüchtlingen.“

Vor einem guten Jahr hatte der Jugendrat intensiv darauf hingewiesen, dass viele schulpflichtige Flüchtlingskinder im Stadtgebiet keinen Platz an Schulen haben – obwohl die Schulpflicht auch für sie gilt. Nun endlich hat die Bezirksregierung reagiert – wenn auch erst auf „immensen Druck der Verwaltung“, wie Steuwe es nennt. Eine eigene Lehrerstelle für die neue Klasse am DBG, die als 5d geführt wird, gibt es erst ab dem 1. Februar 2015. Bis dahin unterrichten abgeordnete Pädagogen der benachbarten Gesamtschule die Kinder und Jugendlichen, darunter auch syrische Kinder. Bislang gab es solche Klassen nur an der Friedrich-Ebert-Schule und der Elsa-Brandström-Schule, die wie berichtet in der Auflösung ist. Die Kapazitäten sind schon jetzt erschöpft. Ob zum neuen Schuljahr im Sommer eine weitere Seiteneinsteiger-Klasse am DBG gebildet werden kann, ist noch überhaupt nicht absehbar. Steuwe hält sie allerdings für dringend notwendig: „Wir werden daher Kontakt mit der Bezirksregierung aufnehmen.“ DBG-Schulleiter Uwe Florin hat sich schon selbst ein Bild von der neuen Klasse gemacht und erkannt, wie wichtig sie ist, intelligenten Kindern fehlten einfach noch die Sprachkenntnisse, so sein Eindruck.

Trotz des guten Anfangs leben in der Stadt noch immer rund 30 Kinder und Jugendliche, die nicht beschult werden können. Aus einem unserer Zeitung exklusiv vorliegenden Papier werden auch die Gründe dafür deutlich: So verweigern ungefähr 20 Prozent der Eltern die Mitarbeit und lassen das Kind nicht zur Schule gehen. In einem anderen Fall wird das Kind derzeit vom Schulpsychologischen Dienst betreut. Ob ein Schulbesuch möglich wird, ist derzeit noch unklar. In nur einem Fall konnte ein Kind aus Tiefenbroich nicht in die Sekundarstufe I eingeschult werden, weil es keinen Platz gab. Probleme haben allerdings auch die Kinder, die der Schulpflicht nachkommen: Nicht nur die mangelnden Deutschkenntnisse bereiten erhebliche Probleme, auch ein nicht vorhandenes Zahlen- und Mengenverständnis sowie fehlende soziale Kompetenz seien an der Tagesordnung. Deutlich besser sieht die Situation im Grundschulbereich aus, wie Steuwe erklärt: „Die Schulaufsicht hat ab Februar drei weitere Integrationsstellen zugesagt, die der Matthias-Claudius-, der Erich-Kästner- und der Anne-Frank-Schule zugewiesen werden.“

Trotzdem will die Stadt aber auch außerschulische Maßnahmen fördern, um nahezu alle Kinder erreichen zu können. 12 000 Euro sollen im kommenden Jahr für die Koordination sowie die Fortbildung und Anleitung von ehrenamtlich Unterrichtenden investiert werden. Mit Hilfe der Freiwilligenbörse werden Alphabetisierungskurse sowie Unterricht zur Schulvorbereitung durchgeführt. Ein Augenmerk hat die Stadtverwaltung auf die Unterkunft Am Sondert gelegt, da dort der Großteil der noch unversorgten Kinder lebt: Es soll nach den Weihnachtsferien ein Angebot für Jungen geben, die Deutsch sprechen können, aber keine Allgemeinbildung haben.(wol)

Quelle

Gymnasiasten tauchen in Praxis ein

Cara und Linus aus der Klasse 8c versuchen sich in der Décalcomanie, das sind Zufallsbilder mit Hilfe der Technik des Abklatschverfahrens. FOTO: Dietrich Janicki

Ratingen.
Methodentage am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium. 560 Schüler und 60 Lehrer arbeiten abseits der Schulfächer. Von Dirk Neubauer

Im ersten Moment hat sich Lehrerin Nelie Pannen erschreckt: Aus dem Klassenraum der 6c flieht eine Schülerin mit versteinerter Miene. Es sieht so aus, als würde das Mädchen gleich losweinen. Doch stattdessen grient sie plötzlich breit. „Wir sollen ein Gefühl so darstellen, dass es möglichst echt wirkt“, klärt Mitschülerin Sophie (11) auf. Das Schauspiel ist Teil des „Sozialen Trainings“, bei dem sich die Klasse mit Emotionen auseinandersetzt. Einige Räume weiter torkeln Mitschüler einer 9. Klasse durch den Raum, weil sie – zur Abschreckung – eine Rauschbrille tragen, die die Wirkung von Alkohol simuliert, ohne dass man einen Schluck getrunken haben muss. Und die 8c denkt gerade intensiv über ein schulinternes Werbeplakat für den Mittelstufenraum nach, sucht nach einem griffigen Slogan, probiert Farben aus, ist rundherum kreativ.
Das sind nur drei Beispiele von vielen für die Methodentage am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium (DBG). Drei Tage lang war nach den Herbstferien in der Schule alles anders. Für die „Methodentage“ verließen 560 Schülerinnen und Schüler und 60 Lehrer die klassischen Schulfächer.

Stattdessen lernten sie, wie man lernt, eine Gruppenarbeit organisiert oder ein Referat hält. Fünftklässler erfuhren eine Menge über die gesunde Klasse; die Neuner setzten sich mit der Volksdroge Alkohol auseinander oder absolvierten ein freiwilliges soziales Praktikum. Manche Oberstufenschüler traten – völlig ungewohnt – zum Unterricht in Anzug und Krawatte an: Mit Hilfe der Barmer Ersatzkasse nahmen sie an einem Assessment-Center teil, wie es mittlerweile für die Besetzung von Stellen in der Wirtschaft üblich ist.

„Inzwischen gibt es diese drei Methodentage zum neunten Mal bei uns“, sagt DBG-Schuldirektor Uwe Florin. Dabei werden Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die den Schülern das gesamte Leben hindurch nützlich sein sollen. Die Themen sind auf die Jahrgangsstufen abgestimmt; jede Stufe durchläuft drei Themen an drei Tagen. Ein hoher Praxisanteil soll dafür sorgen, dass es spannend bleibt und möglichst jeder die Chance bekommt, das Gelernte gleich selbst auszuprobieren. Die Räume sind dabei jeweils mit zwei Lehrern besetzt – um kleine Arbeitsgruppen zu ermöglichen.

„Wir haben festgestellt, dass die Methodentage unseren Schülern wichtiges Rüstzeug mitgeben“, sagt Direktor Florin. Nach jedem Dreitage-Marathon füllen Schüler wie Lehrer Feedback-Bögen aus. Die vom vergangenen Jahr hat Lehrerin Nelie Pannen ausgewertet, um das Angebot noch besser auf die Klassen und Jahrgänge abstimmen zu können. So rutschte das Thema „Recherche in der Bibliothek und per Computer“ aus der Jahrgangsstufe 9 in die siebten Klassen. „Die Neuner kannten das Meiste davon schon“, hat Pannen aus den Feedbackbögen erfahren.
Beinahe verdoppelt hat sich im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Stellen im freiwilligen sozialen Praktikum bei karitativen Organisationen wie der Arbeiterwohlfahrt, einigen Kindergärten, dem Sozialdienst katholischer Frauen (SKF), der Diakonie in Kaiserswerth und der Helen-Keller-Schule. Für 38 Jugendliche ein Blick in eine andere Welt.

„Natürlich können wir in diesen drei Methodentagen nur Anregungen und Einblicke geben“, weiß Florin. Wichtig sei es deshalb, dass das Kollegium im normalen Unterricht immer wieder auf die gezeigten Methoden zurückkomme. Damit das Wissen der drei tollen Tage nicht verloren geht, bekommt jeder Schüler in der fünften Klasse einen „Methodenordner“. Dort soll all das Material abgelegt werden, dass die Jungen und Mädchen bekommen. Florin hofft, „dass dieser Ordner nicht verloren geht, sondern am Ende der Schule prall gefüllt ist, mit Methodenwissen.“

Quelle: RP

SommerLeseClub 2015: Ratinger Wochenblatt – Bericht 09.09.2015

Digitale Pinnwände kommen

mit einem Kommentar von Joachim Dangelmeyer

Das Gymnasium und die Realschule in Lintorf sollen umgehend damit ausgestattet werden. Andere Schulen müssen noch warten.

Der Wunsch vieler Schulen: Vertretungen und Klausurtermine werden digital angezeigt.
Der Wunsch vieler Schulen: Vertretungen und Klausurtermine werden digital angezeigt. David Young
Der Wunsch vieler Schulen: Vertretungen und Klausurtermine werden digital angezeigt.

Ratingen. Die Vorteile liegen auf der Hand: einfachere und schnellere Kommunikation für Schüler und Lehrer. Die Kosten sind laut Bürger-Union (BU) überschaubar: 3000 Euro pro Schule. Dennoch gab es mit den anderen Fraktionen heftigen Streit um die digitalen „schwarzen Bretter“, die die BU an allen weiterführenden Schulen einführen möchte.

„Das ist eine großartige Sache, die prima funktioniert.“

Ralph Basten, stellvertretender Schulleiter des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums übers digitale schwarze Brett

Der Zank wurde am Donnerstag ein Stück weit beigelegt: Einstimmig beschloss der Stadtrat, das Kopernikus-Gymnasium und die Lintorfer Dependance der Käthe-Kollwitz-Realschule sofort mit den digitalen Anzeigen auszustatten. Die beiden Schulleiter, Roland Loos und Ekkehard Witthoff, hatten bereits im Schulausschuss den besonderen Bedarf begründet. Die Schüler beider Schulen werden an zwei Standorten unterrichtet: Das Kopernikus kooperiert in der Oberstufe mit dem Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium (DBG) in West, was eine ständige Abstimmung von Stundenplänen, Klausurterminen und Vertretungen erfordert. Loos: „Betroffen sind rund 600 Schüler. Die wissen am Morgen oft nicht, was an der anderen Schule passiert.“

Auch die Lintorfer Realschul-Filiale muss mit dem Hauptstandort in West kommunizieren. Derzeit funktioniert das via Fax, das jeweils ausgedruckt, zur Pinnwand gebracht und angeheftet werden muss.

Bürger-Union: Kostenschätzung der Verwaltung ist „realitätsfern“

Der Streit hatte sich vor allem an den Kosten entzündet, die die Verwaltung für alle weiterführenden Schulen mit 50 000 bis 60 000 Euro angesetzt hatte. Die BU hält die Kostenschätzung der Schulverwaltung für „realitätsfern“. Nach Aussage eines Fachmannes seien bei sechs auszurüstenden Schulen aufgerundet 20 000 Euro erforderlich. Die Fraktionsspitzen Alexander von der Groeben und Angela Diehl werfen den Kritikern der digitalen Pinnwände „steinzeitliches Denken“ vor: Dass die CDU im Schulausschusses vor Freigabe der erforderlichen Mittel den Bedarf an den Schulen ermitteln lassen wollte, sei „kaum glaubhaft“.

Der FDP-Antrag („Zuschussgewährung soweit es der Haushalt zulässt“) sei angesichts eines Etatvolumens von 240 Millionen Euro „lächerlich“. Und die Argumentation der Verwaltung, man müsse Eingriffe in den Datenschutz sorgfältig prüfen, zeige „fehlende Sachkenntnis“, schrieben die BU-Politiker in ihrem Antrag, wenigstens das Lintorfer Gymnasium und die Realschul-Dependance umgehend mit den elektronischen Pinnwänden auszustatten. Dem folgte dann die Mehrheit im Rat.

Drei Schulen haben bereits digitale Pinnwände

Das Berufskolleg, die Kollwitz-Realschule und das DBG haben bereits digitale Schwarze Bretter. „Das ist eine großartige Sache, die prima funktioniert“, sagt Ralph Basten, stellvertretender Schulleiter des DBG. Es spare viel Papier, sei immer aktuell und komfortabel zu bedienen. „Zur Not kann ich auch einmal von Zuhause den Vertretungsplan aktualisieren“, sagt Ralph Basten. Finanziert hat die Anlage der Förderverein.

WZ 26.09.2013