Ratingen · Seit rund 30 Jahren nehmen Schüler des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums aktuelle Geschehnisse kabarettistisch aufs Korn und haben sich als Westhäkchen auch jenseits von Ratingen einen Namen gemacht. Jetzt naht der letzte Auftritt.
RP 04.10.2021, 14:06 Uhr 4 Minuten Lesezeit
Foto: In wechselnder Besetzung begeisterten die Westhäkchen – hier bei einer Probe im vergangenen Jahr – die Zuschauer. Foto: Blazy, Achim (abz)
Von Andrea Bindmann
Das Bonni und die Kabarettgruppe Westhäkchen sind untrennbar miteinander verbunden. Nach einigen Irrungen um einen Namen – 1989 traten die Schüler als Stichlinge auf, kurze Zeit später als New Fish on the Block – standen die Schüler schließlich seit 1992 als Westhäkchen auf der Bühne. Aus der Taufe gehoben von Heiner van Schwamen, früher Lehrer am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium, eroberte die junge Truppe nach und nach nicht nur die Bühnen in Ratingen, sondern wetteiferte auch mit Profis auf Festivals jenseits der Stadtgrenzen um die Gunst der Zuschauer. Mit Erfolg. Die Westhäkchen durften sich mehr als einen Preis ins Regal stellen.
Jetzt aber soll Schluss sein. Im November hebt sich ein letztes Mal der Vorhang für die so erfolgreiche Schülertruppe. Uwe Florin, Schulleiter am Bonni erklärt warum: „Seit drei Jahren ist Heiner van Schwamen, der die Gruppe betreut hat, in Pension. Solange an unserer Schule noch Bedarf bestand, stand er für einige Stunden pro Woche unter Vertrag.“ Inzwischen sind Stellen jedoch neu besetzt, van Schwamen unterrichtet nicht mehr. „Aus der aktuellen Truppe besuchen noch drei Schüler das Gymnasium. Und auch diese stehen kurz vor dem Abitur“, ergänzt Marius Graf, Lehrer an der Schule. Spätestens, wenn diese Schüler ihren Abschluss in der Tasche haben, bedeutet dies das Aus für die Westhäkchen. Neurekrutierungen gibt es nicht.
Info: Der letzte Bühnenauftritt der Westhäkchen
„Alles, was geht“ heißt das Programm, mit dem die Westhäkchen am Samstag, 20. November, ab 19.30 Uhr beim Kulturkreis Hösel im evangelischen Gemeindesaal Hösel auf der Bühne stehen. Anmeldung auf der Internetseite des Kulturkreises.
Der Erfolg der Truppe hatte durchaus Strahlkraft für die Schule und für den Stadtteil: „Heiner van Schwamen wollte nicht nur die Schüler fördern, sondern auch West“, so Uwe Florin. 30 Jahre lang gab es jedes Jahr ein neues Programm, „immer aktuell“, so Florin. Viele ehemalige Mitglieder hielten auch nach ihrem Abitur und somit nach dem Ausscheiden aus der Gruppe Kontakt. „Die Außenwirkung der Westhäkchen war für die Schule sehr wertvoll, insbesondere mit Blick auf die Schülerwerbung.“
Heiner van Schwamen kann das bestätigen. „Es gab Schüler, die zum Bonni kommen wollten, nur um Teil der Westhäkchen zu werden.“ Ein wenig traurig ist er schon, dass die Tage seines „Werkes“ nun gezählt sind. „Ich habe zuletzt zwei siebte Klassen unterrichtet. Da gab es einige Schüler, die ich gerne gefördert hätte. Schon ab der fünften Klasse habe ich immer genau hingeschaut, wer Potenzial haben könnte.“
Die kreative Förderung der Schüler am Bonhoeffer-Gymnasium soll keineswegs ein Ende haben. Marius Graf, der van Schwamen schon ein Jahr lang bei der Betreuung der Westhäkchen unterstützt hat, will auch künftig Kleinkunst in Arbeitsgemeinschaften etablieren. „Das kann Kabarett sein, aber auch musikalisch gefärbt. Denkbar wären auch Filmprojekte“, so der Lehrer. Nach den Herbstferien will er nach Schülern suchen, die Lust und Potenzial mitbringen. „Vielleicht haben wir schon im kommenden Jahr wieder eine Aufführung an der Schule“, hofft Florin.
Im Rahmen des Offenen Ganztags seien Arbeitsgemeinschaften unerlässlich, sagt auch Schulleiter Florin. Das Bonni hat hier ein breit gefächertes Angebot auf die Beine gestellt. Es reicht von Computer- und Forscher-AGs über Sport, Zirkus, Garten, eine Schreibwerkstatt oder Kreatives. „Hier können Schüler ihre Stärken ausloten, Sozialkompetenz erwerben und Selbstbewusstsein tanken.“ Neben den Kenntnissen, die die Schüler in den jeweiligen Fächern erwerben, sollen diese Fertigkeiten die jungen Leute stark machen für das Leben nach der Schule.
Van Schwamen fühlt sich derweil noch gar nicht als Pensionär. „Ich will nicht untätig sein“, sagt der leidenschaftliche Westler. Der letzte Auftritt der Westhäkchen ist für ihn kein Abgesang, sondern vielmehr der Auftakt für ein neues Projekt. Tatsächlich sieht er in der Tatsache, dass sich jetzt eine Kabarett- oder Theatergruppe jenseits der Schule treffen kann, als Chance.
„Es gab immer Schüler, die Lust gehabt hätten, weiterzumachen“, so van Schwamen. Sie treffen sich derzeit regelmäßig im Kulturloft Am Sandbach. „Die Proben laufen schon“, verrät van Schwamen vielversprechend. War das Ensemble früher als Arbeitsgemeinschaft ausschließlich Schülern des Bonhoeffer-Gymnasiums vorbehalten, steht die Gruppe künftig allen offen, die künstlerisch aktiv sein wollen.
„Wir schreiben eine neue Geschichte, wenn auch in veränderter Form“, so van Schwamen. „Ich bin nicht mehr Lehrer, sondern Regisseur und Ideengeber, auch wenn viel von den Mitgliedern selbst kommt. Es gibt neue Impulse. Nur den Namen Westhäkchen, den wird es nicht mehr geben.“ Schulleiter Uwe Florin hätte gar nichts dagegen, wenn van Schwamen dem Namen neues Leben einhauchen würde. Der ehemalige Bonni-Lehrer kann sich mit dem Gedanken nicht anfreunden. Ein neues Projekt soll auch einen neuen Namen tragen. Und so bleibt es dabei: Die Ratinger Westhäkchen haben im November ihren letzten Auftritt.